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Donnerstag, 7. Januar 2016

Abschied




Liebe Freunde, Bekannte, Zufällig-Lesende,

tja, wie anfangen, was sagen? Dies ist mein letzter post. Wenn ihr es lest, habe ich endlich den Mut gefunden, meinem irdischen Horror ein selbstbestimmtes Ende zu bereiten. Ich habe eine Freundin gebeten, dies für mich nach meinem Ableben zu veröffentlichen - hoffe, es funktioniert & fällt nicht in irgendeine Anti-Suizid-Zensurschachtel. Darum betone ich ausdrücklich, dass dies keinerlei Freitodverherrlichung o.ä. ist, lediglich eine Mitteilung an die Menschen, die mich kannten.

Als erstes, das ist mir wichtig: Ich lebe im Grunde allein, es wird keine traurige Feier, kein Treffen o.ä. geben - die Menschen, die einen Platz in meinem Herzen haben, leben irgendwo verstreut. Vielleicht gibt es ein paar Berliner, die noch gemeinsame Erinnerungen an mich haben. Wie auch immer: Ich wünsche mir sehr, dass Ihr seht & akzeptiert, dass ich weder unbedacht oder voreilig gehandelt habe, noch mich irgendetwas / irgendjemand hätte retten können! Alles, was möglich ist, um ein menschwürdiges Leben zu finden, habe ich versucht, alles! Darum - wenn Ihr an mich denkt, tut es in Freude, dass ich es geschafft habe, mich von unmenschlichen Qualen zu erlösen.
Denn: innerlich gestorben bin ich wohl spätestens irgendwann zwischen 1979 & ´82 an dem Antidepressivum „Elronon“ (Noxiptilin). & dieses Sterben erlebe ich seither Tag für Tag neu.
Ich behaupte: Die hochdosierte Vergabe von AD & Neuroleptika kommt einer potentiell MÖGLICHEN Hinrichtung gleich, im (vllt.) schlimmsten Fall verursacht sie ein langsames Krepieren über Jahrzehnte. Es bedeutet das faktische Einkalkulieren einer Todesstrafe zur Einhaltung von „Normalität“ & Funktionalität gemäss dem gerade aktuellen oder diktierten gesellschaftlichen Konsens.

Ich habe grosse Angst vor dem Tod, denn so einfach stirbt es sich leider nicht. Nach dem ersten affektiven, theoretisch todsicheren, trotzdem gescheiterten Versuch 1997 habe ich mir eingeredet, jederzeit gehen zu können, so ich es nicht mehr aushalte. Doch nach Eintritt dieses Zustandes & einem weiteren Scheitern hat es noch einmal sechs Jahre gebraucht, den Schritt zu gehen. Jahre puren Grauens, vieler Linderungsversuche, tausender kleiner Hoffnungen, Nicht-wahr-haben-wollens. Denn die Wahrheit ist: seit der Abspaltung meiner Seele bin ich unbewusst-naiv durchs Leben gerannt, die verlorene Persönlichkeit wiederzufinden.


Warum schreibe ich hier überhaupt? Ein „Vermächtnis“, eine Warnung? Mglw. letzteres, doch mir ist auch klar: Meine Stimme hat in dieser Welt das Gewicht einer Spatzenfeder...
In einem banalen Satz ausgedrückt wäre meine Message: „Passt auf, was man Euch einredet, was Ihr mit Euch macht & machen lasst“.
...Nicht sofort vergessen werden? Vielleicht, sogar am wahrscheinlichsten. Aufmerksamkeitsdrang & etwas Eitelkeit waren mir immer eigen.
Am ehesten aber ist es wohl das „Rausschreiben“ von Verzweiflung & Unverständnis - über das Schicksal, über die Tatsache, diesem gnadenlos & bei klarem Verstand ausgeliefert zu sein - in einem Umfeld, in dem ein angenehmes Leben recht einfach möglich wäre. Wäre, wenn nicht... Die Schweiz ist ein wunderschönes Land, das trotz Einschränkungen viele einfache, sinnvolle Entfaltungsmöglichkeiten böte. Böte, wenn nicht... da „etwas“ wäre, das foltern kann, ohne sicht- & lokalisierbar zu sein...
Es ist ein tiefgehendes nicht-Verstehen, dass „wir“ dank unserer Intelligenz in der Lage sind, phantastische, hilfreiche Dinge zu (er)finden, die wir jedoch ebenso auf grauenvollste Weise einsetzen. Dinge, die wir nicht im Griff haben oder nicht wirklich begreifen - & die einmal losgelassen, nicht mehr rückgängig zu machen sind. Neben dem immer subtileren Spiel mit dem Krieg halte ich Kernspaltung & bestimmte Psychopharmaka für die schlimmsten Errungenschaften der sogenannt modernen Zeit. Die enorme Komplexität des Gehirns ist noch weitgehend ein Rätsel & derart INDIVIDUELL, dass niemand die Auswirkungen psychotropher Chemie auf einen Organismus sicher vorhersagen kann. Bis heute, 50, 70 Jahre nach ihrer Erfindung, ist die genaue Wirkungsweise der Substanzen nicht bekannt, die Verabreichung erfolgt ausschliesslich aufgrund von Beobachtungen & daraus abgeleiteten Annahmen (einzig schädliche Folgen sind teilweise nachweisbar). Dass wir die Möglichkeit gefunden haben, den Geist / die Seele nicht nur temporär zu fesseln, sondern unwiderruflich in ein unsichtbares chemisches Verlies zu mauern, ist schlichter Wahnsinn. Denn DAS ist die eigentliche Wirkung der Medikamente.


Mglw. wird sich die genetische Manipulation irgendwann in diese Liste einreihen... Man kann nur spekulieren, ob dieses Spiel langfristig verheerende Auswirkungen auf alle Organismen haben wird. Man kann nur spekulieren, welche Erfindungen danach kommen. Robotisieren wir step by step die ganze Welt, alles Leben? Degenerieren wir es auf eine Weise, die seit ?? Leid & noch mehr Leid erzeugt, löschen es gar irgendwann aus?
Darum ist es wohl auch irgendwie eine Anklage. An jene, die niemals Skrupel kennen, über alles Wissen & Unwissen hinweg, Stoffe / Energien an Lebewesen auszuprobieren / einzusetzen, von denen niemand genau weiss, welchen Schaden sie anrichten. An jene, die im Namen von Fortschritt & Glaube den Wert des einzelnen Lebens ignorieren & für Macht, Ruhm, Geld, Kontrolle alles tun.
Oder stop - ahnen, geschweige denn begreifen wir gar nicht, was wir tun & all das Zerstörerische ist eine uralte verzweifelte, unbewusste Frage an´s Universum? Gibt es diese Schuld gar nicht, jede Anklage sinnlos? Ist alles nur ein ungreifbarer evolutionärer Zufall? Oder gab / gibt es doch so etwas wie eine Vorherbestimmung, einen kosmischen Sinn? Sind wir Teil von etwas Grösserem, in der irdischen Hülle zum Leid verdammt? Der Schmerz & der Versuch, ihn zu verstehen & beenden zieht sich durch unsere gesamte präsente Geschichte - unsere Religion & viele spirituelle Theorien erklären das Leiden gar zum Hauptzweck des Lebens. Nur - ab einem bestimmten Punkt ist im „Schmerz als Lernprozess“ kein Lernen mehr möglich. Hier endet alle (mir zugängliche) Logik & jeder Glaubensansatz.
Haben wir aus unbekannten Gründen vor Urzeiten kollektiv unseren Sinn vergessen & verfolgen seither unbewusst die Idee „des Schlechten im Menschen an sich“ als Erklärung? Wir rechtfertigen jedwede Grausamkeit damit, dass wir überzeugt auf der Seite des Guten & Richtigen stehen - & finden das Schlechte, den Feind im Gegenüber. Im Andersdenkenden, im Schwachen, im anderen Volk, Glaube, Geschlecht. & am Schlimmsten wohl - im unmündigen Kind.
Menschenversuche sind unter dieser Rechtfertigung keine Ausnahme, sie sind die Regel. M. E. sind sie ein völlig legalisierter, kaum hinterfragter Bestandteil v.a. unserer „modernen“ Pharma- & Nahrungsindustrie - mit den absurden Zielen der Profitmaximierung & immer globaleren Kontrolle über alles & Jeden. Dem uralten System von Macht & Unterwerfung folgend, welches uns fast alle - von Familienstrukturen bis hin zu Staaten & Konzernen beherrscht.
Aber weshalb? Wann & wozu hat die Entfremdung von den natürlichen Abläufen auf der Erde & menschliches Leid als Normalzustand begonnen? Viele würden Letzteres verneinen, doch im Vergleich zu wenigen verbliebenen Naturvölkern scheinen wir Menschen der zivilisierten Welt allesamt tief im Innern nicht sehr glücklich. & im Vergleich zur Tier- & Pflanzenwelt, die in komplexen Strukturen perfekt zusammenwirkt, jedes seinen richtigen Platz hat, sind wir die einzige Spezies, welche ihren natürlichen Platz offenbar irgendwann eingebüsst hat & in immerwährendem Kampf, immerwährender Suche lebt. Die einzige Spezies, die absurde Dinge wie kranke Gehirne, den Wahnsinn, endlosen Krieg & Folter oder ein Dasein in chronischem Unglücklichsein kennt.
Einer der Gründe (neben unerfüllter Sehnsucht) dafür, dass mir das Loslassen extrem schwer fällt, ist der Umstand, dass ich auf all dies keinerlei Antwort bekomme - obgleich ich alle Fragen stellen kann. Ich weiss weder, woher ich komme, was ein Dasein in täglichen Qualen, deren Ursprung verborgen bleibt, bezwecken soll - noch, ob etwas / was nach dem Tode kommt. Es erscheint mir absurd & sinnlos. Die Vorstellung des Totalverlöschens des ICHs bei gleichzeitigem Nicht-Wissen / -Fühlen, wozu mein ICH-Bewusstsein je existiert hat, ist extrem erschreckend. Jenseits aller sogenannten Logik, dem Wissen, dass alles irdische vergeht. Warum kann ich essentielle Fragen denken, wenn es keine inneren Antworten gibt...?

Bin ich psychisch krank, paranoid? Im Kern - sicher. In der Folge des Erlebten sehe ich die Welt mit desillusionierten (& gleichzeitig ungläubigen) Augen. Wobei man fragen kann, was psychisch krank überhaupt kennzeichnet. Gibt es gesund & normal in einem ursprünglichen Sinn (noch) ?
Doch ich war nie „klassisch“ lebensmüde - im Gegenteil, ich träume von Leben & Erfahren. Die Verzweiflung ist u.A. davon geprägt, dass mir das Wunder der Existenz & die Schlussfolgerung, es jeden Tag neu im Hier & Jetzt zu be-wundern, intensivst bewusst ist - gleichzeitig etwas Grauenvolles meinen Körper (& in Folge die Psyche) in ein dauergefoltertes Wrack verwandelt hat, das sich selbst mit starken Opiaten nur gerade so erträgt. Dies ist kein LEBEN, welches ich als solches bezeichnen kann - & widerspricht allem, was mein Geist an Erkenntnis gewonnen hat. Wie kann ein wacher, lebendiger Verstand machtlos in einem siechenden Haus des Horrors vegetieren? WAS SOLL DAS ?
Bis zu meinem 10., 11. Lebensjahr hatte ich grosse Bilder vom Erwachsensein, durchaus übliche... Bühnen, Züge, Autos, Wissen, unterwegs sein, die Welt sehen - aller schon erfahrenen Brutalität, Erniedrigung, Kälte & Isolation seitens der Erzeuger zum Trotz. Ja, emotional geschädigt war ich schon zu jener Zeit, „verhaltensauffällig“, ein Bettnässer.
Doch haben „sie“ es nicht geschafft, (das) mICH, meinen Willen, meine Phantasie, meine Freude zu brechen - die Sehnsucht war stärker. Sehnsucht nach Liebevollem, nach unbekannten Verrücktheiten des Daseins, nach Umarmung in jeder Form. Angst hat sich auf das reale, unmittelbar Bedrohliche beschränkt, welches irgendwann vorbei sein würde. Aushalten, bis ich frei bin - eine kindlich-realistische Vorstellung... Bei allem Schmerz habe ich tief in mir nie an einer befreienden Zukunft gezweifelt, die Freiheit in mir gespürt. Aushalten konnte ich gut, das weiss ich heute. So gut, dass ich trotz aller elterlich-sadistischen Strafszenarien bei Dingen, die mich fasziniert haben, Freude & Talente aus dem Kopf geschüttelt habe... „inselbegabt“ nennt man es heute - in Sprache, Musik, Literatur u.ä.. Mit sechs ein ständig singender Musikjunkie - meine Traumzukunft mit acht war Popstar & Radio-DJ.
Dann kamen die Tabletten. & ich bin in der Nähe des Todes. Kleine, gelbe, süsse Pillen, die mich „normal“ machen sollten. So, wie sich die Stasi-Familie, in der ich aufwachsen musste & die DDR-Pädagogik „Normalität“ vorstellten. Sprich unerfüllbar-ambivalente Erwartungen: hündischer Gehorsam ohne jedes Hinterfragen vs. Forderung nach „männlicher Härte“ & eigenständigem, intelligentem Denken.
& mit den Tabletten kam der Fuhrpark des Grauens. 20 min. vom Schlucken bis zur Bewusstlosigkeit. Schlafzwang, Hangover, Apathie, nächtliches Erwachen unter Todesangst – DAS erreicht keine „harte Droge“. & nicht zufällig die nun innerlich legitimierte völlige Entmenschlichung durch die Erzeuger.
Dabei ist die Chemie in ein schon übersensibilisiertes & evtl. vorgeschädigtes Hirn gedrungen (Verdacht auf pränatale Stammhirnschädigung). Man hat trotz der Vermutung verordnet. & damit (wissentlich?) unberechenbare Zerstörungsprozesse in Gang gesetzt.
Das für´s naive Kind Unvorhergesehene: mein Erleben unter den Trizyklika war nur der Anfang. Was mich später nach der Absetzung schleichend heimsucht, entzieht sich jeder emotionalen (Be)greifbarkeit: kalter Entzug, Zahnausfall, Erschöpfung, permanente, niemals vollständig verebbende Kopfschmerzen, nie endende Folter im Bauch - ein Gefühl inneren Verbrennens, Todespanik, sensorische Hypersensibilität, motorische Schocks, ein zeitlupenartiges Sterbeempfinden - fortschreitend über Dekaden. Dies alles bei (wieder) wachem Geist & vollem Bewusstsein. Jahrzehnte des Ertragens & erfolglosen, unwissenden Suchens.
& von Anbeginn an das Gefühl bis dato unbekannter, eigenartiger „Mauern“ im Kopf. Zwischen den Augen, im Nacken, der Blick auf die Welt durch eine gepanzerte Glasscheibe - lange ein Mysterium. Heute weiss ich, dass die Pharmaka IRREVERSIBLE Blockaden vegetativer & gefühlsleitender Nervenwege, zerstörte bzw. mutierte Transmitter-Rezeptoren & Übersensibilitäten verursachen können. V.a. die Blockade zwischen den Augen, ergo irgendwo zwischen den Hirnhälften erinnert fatal an die Folgen der Lobotomie. MUSS eine langsame Zerstörung Mensch-seins-wichtiger neuronaler Prozesse nicht Todesangst auslösen? Wenn Psychochemie lähmt, JEDES Gefühl ausser Angst vernichtet, ist das Resultat mglw. eine Art „unvollständiger“ Lobotomie?
MUSS ein Organismus nicht an Substanzen, deren anticholinerge (= Nerven-blockierende) Grundwirkung jener von chemischen Kampfstoffen gleicht, bei langer Einnahme Folter empfinden & kaputtgehen?
Das Ergebnis zumindest lautet: Ich kenne nur zwei Zustände - Angst / Folter / Schmerz im Wachzustand & Albträume / Schmerz im Schlaf. Latent bis akut, doch stets spürbar.
Das alles mag ziemlich verrückt klingen - & ist es auch. Wir gehen i.A. davon aus: Wenn etwas unerträglich weh tut, hört es irgendwann auf - oder man stirbt daran. Dass es etwas dazwischen - unaufhörliche, nicht-tödliche, nicht-linderbare Qual ohne aktiv spürbares Geschehen gibt, übersteigt die uns gegebene Vorstellungskraft. Doch die Tatsache, dass ich vor der Psychiatrisierung weder somatische Beschwerden noch jenes innere Verlies kannte, belegt mir, dass es sich nicht um die „Einbildung eines Irren“ handelt. Auch dass das wirksamste Schmerzmittel gar hyperparadoxen Höllen(Kopf)schmerz auslösen kann (dies schafft grösste Verzweiflung), bestätigt wohl meine Zerstörungsbehauptung...Die Waffe arbeitet im eigenen Körper. Das Gefängnis gab es schon zuvor, doch nie in DIESER - ausbruchssicheren - Form.
Ich SEHE die Schönheit um mich, gleichzeitig bin ich seit ca. 35 Jahren in einem gläsernen Käfig gefangen & kann sie nicht FÜHLEN. Das Kind konnte sie fühlen, ebenso wie Wut, Trauer, echte Sehnsucht. Unwiderruflich abgetötet. Ein Tier im Käfig dreht durch, ein zeitlos eingesperrter Mensch verliert sich in nicht zu stoppenden, marternden Gedankenkreisläufen, in denen auch der Todesgedanke keinen Ruhepol zulässt, da der Käfig selbst Teil langsamen Sterbens ist. Tier & Mensch gemein ist instinktive Verängstigung.

Ich weiss vieles, rational. & muss ich mich fragen: Kann man sich auf den Tod vorbereiten, die Angst davor verlieren? Es gibt offenbar Menschen mit starker Todessehnsucht, die in dem Gedanken Ruhe & Erlösung finden & so innerlich befreit ein geleertes Leben beenden. Mir ist es nicht gegeben - die Angst, welche mich jahrzehntelang vor gefühlter Todesnähe beschützen sollte, stellt sich in den Weg & treibt mich nah an den Wahn. Beide Suizidversuche haben keinen friedlichen Zustand im Augenblick des „jetzt“ erzeugt sondern in grösster Verzweiflung & Panik stattgefunden. Trotz Alkohol als wirksamsten Angstkiller, trotz maximaler Unerträglichkeit. Ich sehne mich nicht nach dem Tod, ich sehne mich nach ewigem Einschlafzustand - doch finde kein Gleichnis in beiden Vorstellungen. Einschlafen ist ein ab & an schöner Zustand angenehmer, normaler Gedanken, Melodien & Bilder - gewaltsames Sterben ist Panik. Es verheisst keine befreienden Träume. & gläubig bin ich nicht.
Darum werde ich wohl die ursprünglich angestrebte Sterbehilfe nicht in Anspruch nehmen können: wochenlanges Warten im inneren Todestrakt auf dIe „Selbsthinrichtung“ ist (für mich) eine Art Gewalt – ich kann die seltenen Momente der Bereitschaft nicht vorhersagen. Ein erster Termin 2013 ist völlig gescheitert.
Ich kann mich nur bei jenen entschuldigen, die mich evtl. in einer unschönen „Auffindesituation“ vorgefunden haben. Es ist im Grunde völlig inakzeptabel, doch ein sanftes letales Gift, das keine sichtbaren, schockierenden Spuren hinterlässt, ist Dank der Verhinderungspolitik, nicht legal zu beschaffen.
Die Umstände haben zudem einen faden Beigeschmack angesichts der Tatsache, dass ich in einem spirituell orientierten Umfeld der Selbstfindung lebe - voll mit semi-religiösen Wahrheiten. Ein urteilsfreies Gespräch über meine Sorgen & Ängste so gut wie unmöglich, zu 99% höre ich Sätze wie „Alles ist heilbar, Du musst sich nur „jetzt“ dafür entscheiden.“ Von Menschen, die sicher ihre Probleme haben, doch weit davon entfernt sind, sich vorstellen zu können, wovon ich spreche. I.A. vermögen Menschen nur das zu akzeptieren, was sie eigens erlebt oder gesehen haben, selbst wenn sie in Glaubenskonstrukten leben, die rationale Vorstellungen sprengen. Mir leuchtet dieses Unverständnis ein – wir wehren uns gg. grausig-Unvorstellbares, doch macht es meine soziale Situation paradox.
Vielleicht auch stimmen jene Behauptungen - doch wer NICHTS Sicheres fühlt, will um jeden Preis rationale Antworten, um die Angst zu zähmen. & die gibt es nicht.


Was bleibt nebenher...(?) Enttäuschung, dass nicht einmal mein Abschied so verläuft, wie ich es mir ausgemalt habe. Symptomatisch für mein Leben - es kommt immer anders. Ähnlich dem „Vorbild“ anderer Suizidenten gab es vor einiger Zeit noch das innere Bild, einige schöne Orte & Dinge zu sehen / erleben, noch ein ausuferndes musikalisches Abschiedswerk zu schaffen. Mein grösstes Talent - meine Stimme - noch einmal intensiv zur Geltung zu bringen - mit den Resten der Geltungssucht noch etwas Schönes zu hinterlassen. Etwas, das so gut ist, dass es mglw. postmortale Aufmerksamkeit erregt. ;-)
Keine Kraft mehr. Bei anderen, tödlichen Diagnosen ist man vllt. noch eine Zeitlang fit, bis der Verfall einsetzt - & dann geht alles relativ schnell. Ich war schon mitten im Verfall, schon zwei Jahre auf Morphin, als mir klar wurde, dass es nicht mehr aufzuhalten, der Punkt des Aushaltens lange überschritten ist. Vergleiche sind Schwachsinn - ich weiss - nur halten Gefühle sich nicht an rationales Denken - & Suizid ist nun mal kein naturgegebener Vorgang sondern wohl zumeist verzweifelte Flucht vor Unbegreiflichem.
Einst habe ich mir ausgemalt, friedlich im Arm eines vertrauten, verstehenden Menschen einzuschlafen, auch dies hat sich anders entwickelt. Einerseits bin ich froh, niemanden in Unglück & Trauer zurückzulassen, andererseits ist die Vorstellung eines einsamen Abschieds ohne Liebe...schmerzhaft.
Ich werde niemals die Øresundbrücke & die Schären sehen, niemals die Tower Bridge, Cornwall & die Highlands, Paris, das Zentralmassiv & Loiretal, nicht einmal mehr Graubünden in der Rhätischen Bahn & das Luzerner Verkehrsmuseum. Nie mehr durch mannshohe, duftende Brandenburger Kornfelder spazieren. & seien wir mal ehrlich - wer hat nie davon geträumt, mal mit ´nem Luxuscamper oder V8-Riesenschlitten Nordamerika zu durchkreuzen...? & ich bin traurig, nie mehr mit Freunden & „XY“ nächtens durch Berliner Kneipen & Sexclubs ziehen zu können.
& nie mehr auf einer Bühne stehen & SINGEN. Doch vor allem: Ich werde nie sagen „Der Tag unserer Hochzeit war der schönste meines Lebens“, nie einem kleinen Mädchen an der Hand die Welt erklären, die Schönheit des Mondes oder des Schnees auf Bergtannen zeigen. & nie geliebten Eltern die Stirn küssen & sagen können „Danke, dass es Euch gab“.
Das alltägliche Erwachen mit diesem Wissen & dem Griff zum Morphin treibt mir oft Tränen in die Augen.

EDIT: ich habe viel über´s Sterben gelesen - & mich oft gefragt, warum mir das Gehen so schwer fällt - oder was mich noch zu diesem seitenlangen Pathos treibt. Nun - kürzlich habe ein Porträt über den Freitod von Kurt Cobain gesehen - dort wurde ein Satz aus sehr jungen Jahren zitiert, der mir hängengeblieben ist: „Ich will ein Rockstar werden, in den Flammen des Ruhms aufgehen & mir dann das Leben nehmen.“ Der Vergleich stimmt nur partiell, VOR der chemischen Zerstörung wollte ich nur forever Star sein & habe keineswegs an den Tod gedacht. Doch spätestens ab 1990, mit etwa 20 - den ersten Extrem-Horrorattacken & häufigen Schmerzen - gab es immer wieder solche Gedankenläufe (obgleich ich seinerzeit neben Lust auch Angst vor Bühnen hatte - maximale Ambivalenz dank Elronon.) Versucht habe ich es irgendwann trotzdem. Das Fiese: ich habe es nie geschafft. Abgesehen von ein wenig lokaler Aufmerksamkeit bin ich nicht einmal in die Nähe des EINZIGEN Erfolgsziels des narzisstischen Kindes gerückt. DAS, was mir am wichtigsten war & mich evtl. noch über X Jahre am Leben erhalten hat...
& ja, obwohl ich weiss, dass Ruhm & Erfolge im Endeffekt keinerlei Rolle spielen (ausser, dass selbst der prominente Tod für öffentliche Liebesbezeugungen sorgt), habe ich mich wohl nie ganz davon lösen können.
Sprich - ich muss mir eingestehen, nicht anders gewesen zu sein als irgendein ruhmsüchtiger Workaholic, egal welcher Couleur. Nur dass man mir zu früh die Grundlage dazu geraubt hat. Doch selbst das Abstand-nehmen - man kann ja lernen, Ziele zurückzustecken oder neu zu bewerten, Einschränkungen akzeptieren - hat mir nicht mehr geholfen. Mein Weggang aus Berlin - ein naiver unwissender Versuch, in Naturnähe Heilung zu finden. Etwas neues beginnen. Fehlschlag. & heute? Selbst das Morphium kann nur minimal lindern, doch tut es nebenbei, was alle Opiate tun. Auszehren, Ermüden u.v.m.. Ein normaler Alltag - nicht möglich.
Ich hätte vielleicht in vielem Erfüllung gefunden, die Voraussetzungen waren einstmals existent. In Musik, Worten, Reisen, Wissen, Freunden nah sein. Oder gar etwas völlig anderem.
Mein Geist hat seine kindliche Lebendigkeit nie eingebüsst, sei es die Faszination für Technik, Architektur, Kunst, die Natur, whatever - oder hunderte Melodien, Geschichten, Zeichnungen in meinem Kopf.


Ich bin mir im Klaren darüber, absolut kein Einzelschicksal potentiell tödlichen "Fortschritts" oder Glaubens zu sein. ...J.C. am Kreuz, Inquisition, Einheit 731, Little Boy, KZs, Tschernobyl &&&... Eindeutig menschgemachte Qual macht´s vielleicht schwerer, es irgendwie gelassen hinzunehmen. Wahrscheinlich gab es das Phänomen schon immer, Schusswaffen existierten vor der Narkose, jede neue Krankheit vor einem Heilmittel. Vielleicht kann man in 100 Jahren neurotoxisch verursachte Hirnschäden & Verstrahlungen „reparieren“ - & dafür warten neue tödliche Erfindungen auf Gegenmittel. Welch Paradies könnte die Welt sein, wären wir von Grund auf friedlich - & würden dementsprechend mit unserem Potential umgehen, das wahre Wunder zu erschaffen vermag.
Wir wissen nicht, wie das Bedürfnis nach Macht, Taktik, Gier & Kontrolle derart von uns Besitz ergriffen hat, wie wir es erleben, es wird sich wohl auch nicht plötzlich ändern. Doch welch ein Widerspruch wohnt der Tatsache inne, dass unser von religiösen Ansichten regierter Staat in hunderte Länder Tötungsmaschinen verkauft & in zig Kriege verstrickt ist - gleichzeitig seinen Untertanen das Recht auf selbstgewähltes, würdevolles Sterben verwehrt? Ersteres führt alle Argumente angeblichen Lebensschutzes per se ad absurdum. Dies kann nicht „Gottes Barmherzigkeit“ sein - es ist, im Gegenteil, ein weiterer Fakt menschlicher Grausamkeit & Entrechtung.
Darum gilt mein unbedingtes Plädoyer der Zulassung von Sterbehilfe, die chronisch kranken, leidenden Menschen, welche ihr Leben als nicht mehr erträglich empfinden, eine friedvolle Erlösung ermöglicht. Meine Ansicht bezieht sich ausdrücklich (oder gerade) auch auf psychische Krankheiten - wer will von oben herab ermessen, wie vernichtend unaufhörliche seelische Qual sein kann? Wer hat das Recht, über die Erträglichkeit unheilbaren nicht-(sichtbar)-somatischen Elends anderer zu urteilen?
Dies kann kein Arzt, Richter, Politiker oder Pfarrer sondern einzig Betroffene selbst - egal, wie „eigenartig“ sie dem Umfeld erscheinen mögen. Werkzeuge wie „Unzurechnungsfähigkeit“, willkürliche Diagnosen (u.a. Suizidalität als immer-gültiges, entmündigendes Symptom) u.ä. zeugen m.E. einzig von Nicht-Eingeständnis unserer Unwissenheit & fehlendem Respekt jenen Menschen ggü..
Es existieren kaum mehr als Ahnungen, Interpretationen & Fragment-Wissen über die möglichen Zusammenhänge. Der Mensch in seiner Komplexität ist ein Supercomputer - & niemand weiss, welche aktuell noch völlig unbekannten Auslöser es tief im Innern des Systems geben mag.
„Uns“ endloses Vegetieren zu befehlen, da Krankheiten maximale Umsätze erwirtschaften, ist in meinen Augen ein perverses Maximum von Gier. Ein Arzt oder Sterbehelfer muss die Möglichkeit haben, nach eigenem Gewissen - abseits finanzieller Erwägungen & frei von Angst vor Schikanen - Betroffene als Akt letzter Gnade zu unterstützen. Doch wir wissen, das Gegenteil ist der Fall - schon heute wagen es viele Mediziner nicht, Todgeweihte mit ausreichend Schmerzmitteln zu versorgen, damit keinerlei Sterbehilfe-Verdacht aufkommen kann. Kaum auszudenken, was jene Patienten im Fall eines Totalverbots jeglicher Beihilfe erwartet.
Müsste nicht das (unbedingt nötige) Verbot, sich am Sterben zu bereichern, ebenso auch bei erzwungener Leidensverlängerung gegen den Willen eines Menschen gelten?
Doch grundsätzlich verschwiegen wird seitens der Verbieter, dass jeder Bürger statistisch im letzten Lebensjahr den zehnfachen Umsatz „erwirtschaftet“ (inkl. gesund sterbender). Beglichen vom Steuervolk, zugunsten weniger Konzerne & (zumeist kirchlicher) Institutionen. Ein böser Schelm, der da sagenhaften Gewinn am verordneten Siechen Schwerkranker vermutet ??
Die mittelalterliche Sichtweise in Verbindung mit marktwirtschaftlicher Krankenindustrie, welche uns zur Ausführung heimlicher, unmenschlicher, riskanter Methoden á la Hochhaus-, Schienensuizid u.ä. zwingt, bestraft zudem wahllos jede Person im Umfeld - Angehörige, die keinen gemeinsamen Abschiedsweg gehen können oder Zufallsbeteiligte wie Lokführer, Polizisten, Auffindende. Menschen, die oft lebenslang Narben davontragen.
Das für mich speziell schlimmste ist der Umstand, dass ich nicht sanft mittels letalen Schlafmitteln aus dem Leben gehen kann – zu exakt DEM Zeitpunkt, an dem ich innerlich bereit bin. Keinen Moment früher, keinen später.

Ohne Glaube bleibt mir nur ein klitzekleiner Schnipsel Hoffnung. Darauf, dass es doch einen Sinn, einen schönen Ort nach dem Tod gibt. Hoffnung die sich auf nichts real erfassbares gründet. Einzig auf das Nicht-Begreifen. Auf nichts als die Erkenntnis, dass unser irdisches Erkennen sehr begrenzt sein muss. Wir so wenig über die Beschaffenheit von Raum & Zeit, den Kosmos wissen, dass im Kehrschluss alles Unvorstellbare möglich ist. Dass es evtl. Daseinsformen & Energien gibt, die über unser Wahrnehmungsvermögen weit hinaus gehen. Vielleicht ist das unendlich erscheinende Universum nur ein Fussel im Ganzen & wir sehen irgendwo das Ganze. Vielleicht sind wir auch wirklich nur das sprichwörtliche Staubkorn ohne jede Relevanz & werden es nie erfahren.


Wie auch immer, ich habe viele Menschen gemocht, einige sehr geliebt, vielleicht lest Ihr mein Geschreibsel & wisst, dass Ihr gemeint seid. Ich danke Euch zutiefst für die Zeit, die Ihr mich auf die eine oder andere Art begleitet habt - Haut an Haut, in Proberäumen & Lokalitäten, bei trunkenem Labergelächter oder tiefen Gesprächen &&&... ;-)
Abseits davon wünsche ich jedem ein schönes, langes, v.A. aber gesundes Leben. Ein Leben ohne sinnlose Kämpfe & voller Liebe.
& für meine Eltern: Mit 12 habt Ihr mich für tot, nicht länger existent erklärt. Euer Wunsch ist nun erfüllt, es gibt mich nicht mehr.

Andreas Derball, 2015

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