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Freitag, 16. Oktober 2015

Mr. Ambivalent - oder so ähnlich...


Als wenn der Zufall mich "strafen" wollte - ich schreibe über vergangene Illusionen & just im Moment, da ich den Post veröffentliche, läuft mir eine Doku über Kurt Cobain & ein Konzert der Pixies vor den Monitor. Nicht irgendeine Musik, sondern Songs mit Erinnerung an verrückte Zeiten - inklusive Tonnen naiver Rastlosigkeit. Mein erster Traumjob im Plattenladen, die Clubs im P-Berg, Wein aus dem Tetrapack in Michas Punkbude, ein gelber, verbeulter Passat einer unglaublich sinnlichen Frau, Frauen überhaupt & meine notorische Untreue, die erste Gesangsaufnahme mit Herrn Istschenko &&&. Eine heute auch verdammt traurige Kompakterinnerung; 1992 dominierten noch kraftvolle Bilder jenes Heute, trotz schon jahrelanger verwirrender Panikzustände - der Glauben, dass "irgendwie" alles gut würde, ich alles bewältigen & erreichen könnte. Unvorstellbar, dass ich je die grossen Träume aufgeben müsste... Jepp, für mich spezielle Musik. Auch wenn ich nie diese unbändige Agressivität in die Songs bringen konnte (oder wollte?) - manchmal vielleicht einen Hauch davon auf die Bühne, ist mir das Schicksal von Mr. Cobain irgendwie nah. Ich glaube nicht an tiefere Bedeutungen, doch bei meinem ersten, eigentlich im Wahrstsinne todsicheren Versuch war ich 27, der zweite - sehr dilletantische - fand an einem 8. April statt - ohne dass mir die Analogie bewusst gewesen wäre. & wenn ich ehrlich zu meinem Spiegelbild bin, muss ich zugeben, nicht selten so etwas wie Neid zu verspüren - so als bräuchte ich irgendeine Form oder Bestätigung zumindest postmortaler Berühmtheit, um in innerem Frieden gehen zu können. Als müsste noch etwas Bedeutendes geschehen...Auch wenn mir klar ist, wie dämlich… Nun, das kleine Kind will es wohl nicht "einsehen", anonym & "umsonst" gelebt zu haben. Es gab gar Momente des Bildes, mich am Ende eines Konzertes auf der Bühne öffentlich zu erschiessen. Zum Glück blieb es eine kurzzeitige Extrem-Phantasie, geboren in zynischer Verzweiflung, dem Leben eine zweite Chance geben zu wollen & täglich das Gegenteil zu fühlen. Heute lehne ich es definitiv ab, andere bewusst in das eigene Leid hineinziehen; auch das ein Grund, weshalb ich vehement eine Liberalisierung der Sterbehilfe befürworte & die geplante weitere Kriminalisierung in DE schlicht als grausam & entwürdigend empfinde.
Das Gefühl der Trauer bleibt, sobald ich ein Konzert sehe - der narzisstische Teil von mir sieht meinen Platz noch immer "da oben", bejubelt für den Krach, den ich veranstalte. Hätte ich den berühmten einen Wunsch frei - die Chance, einen Pakt zu schliessen, gäbe es keine Frage: ein Jahr lang gesund mit Band, Orchester & rollendem Studio die schönen Orte der Welt streifen - in sehr langsamem Tempo - & dann (so ich bilde mir ein - mit Freude) den Löffel weiterreichen.

Denn...das alles mag nach spinnertem Gequatsche klingen, aber es ist, wie schon im letzten Post angedeutet: Es gibt viele grauenvolle, unverständliche Dinge auf der Welt, & doch gibt es so vieles, das mich "theoretisch" fasziniert. Es existiert für mich im Jetzt kein äusserer Grund wie Krieg, Hunger, Unterdrückung, der Menschen in Akutsituationen über das Sterben nachdenken lässt. Es existiert das ungreibar Endlose. Grauen. Schmerz. & das Gefühl, es stünde mir zu, wenigstens eine begrenzte Zeit davon befreit zu atmen.
Ich war nie "klassisch" depressiv, das Leben ablehnend - alle Gedanken an den Freitod stammen aus dem Umstand, im Ø 80 % meiner Lebenszeit von latenten bis unerträglichen Kopfschmerzen, Albträumen & namenloser Angst-Folter gequält zu werden...was all das Schöne vor der Haustür (das global betrachtet eine verdammt privilegierte Welt darstellt) zu Unerreichbarem mutieren lässt. Mich wie einen Tetraplegiker vor dem vollen Teller verhungern lässt.

Vorgestern habe ich mich nach langer Zeit an einen Track gesetzt: keine Kraft zu singen, keine Kraft, via Gitarre oder Synth Töne zu erschaffen, einfach nichts. Musik ohne Leidenschaft ist tot, sinnlos. Dass sie nach wie vor in meinem Kopf erklingt, es jedoch nicht in die Realität schafft, hinterlässt trotz mttlw. irgendwie pragmatischem Verstehens des "Warum" immer wieder Ohnmacht, verhasste Resignation. Zudem hindert mich dieses Gefühl, nie gelebt zu haben - & nie leben zu können - am Loslassen, auch wenn es ambivalent erscheint. Vermutlich fordert "irgendetwas" in unserem (oft verletzt-kindlichen) ICH das biologisch verankerte Recht auf Leben ein, erwartet Güte & Liebe sowie ein Ende des Schmerzes im lebendigen Zustand. Das Eintreten von "Richtigkeit" des Daseins vor dem Tod.
Wahrscheinlich ist der "Hilfeschrei-Suizidversuch" (der mir nie in den Sinn kam, weil nie an Hilfe geglaubt) oder ein Ausrasten v.A. junger Menschen genau so zu sehen: ein verwundetes Wesen schreit "Macht dem (unerträglichen IST) ein Ende, kümmert Euch endlich um mich…" - mit dem radikalsten aller Mittel. & was geschieht? Schon Ottonormalo hat oft nur belächelnde, abwertende Urteile übrig - & im schlimmsten Fall führt der Weg in die Psychiatrie. Wo statt Zuwendung & Verständnis allzu häufig wieder Haft / Isolation, Demütigung & Gewalt warten. Mglw. ist die Psychochemie - das gewaltsame Eindringen giftiger Substanzen in den Körper, das Bewusstsein & Unbewusste - die langfristig verheerendste, weil irreversibelste Art von Unterdrückung menschlicher Lebendigkeit. Einzigartig (& nur atomarer Verstrahlung vglw. "ebenbürtig"), da sie alles Fühlen sowie andere Formen von Gewalt wirkungsvoll zu verschleiern vermag, unsichtbar & extrem langsam tötet. Aber das ist ein anderes, komplexes Thema - das einen eigenen Post "verdient".