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Montag, 16. November 2015

Hoffnung vs. Blindheit

Mein Arzt hat kürzlich geäussert, er hätte noch immer etwas Hoffnung. Es ist mir im Kopf geblieben, doch komme ich nicht umhin, mich wiederholt zu fragen, worauf verdammt sich diese gründen soll…Denn ich bemerke zunehmend bewusster die spätestens seit dem 12. Lebensjahr existente Verständnislücke, das Nicht-Sehen-Können des Ungeheuerlichen. Inklusive irrationaler Hoffnungskrümel wider aller Erfahrung, letztlich aus nichts als abgespaltener kindlicher Naivität - & Angst - gespeist. Nach Dekaden täglichen Schmerzes gibt es keine Logik mehr, die Hoffnung rechtfertigt. Doch ebenso wenig finde ich irgendeine Logik im Akt, den eigenen Geist auszulöschen. Lebender, hungriger Geist vs. gefolterter sterbender Körper, welch brutale Wahl baut sich hier vor mir auf(?)
Ich wundere mich seit seit Jahren, wie & warum ich aushalte - mich im Grunde selbst betrüge, indem ich mich von einem zum nächsten gedachten Abschiedsdatum hangele. & dabei keinem Fortschritt, nicht einmal Stagnation, sondern immer deutlicherem Verfall zusehe - der mir zudem mittlerweile alle Würde raubt.

Evtl. finde ich wenigstens hierauf noch eine Teilantwort…(?):

Wenn ich Bilder aus dem (v.A. Berliner) Osten sehe, erinnere ich mich mitunter an den 6- oder 8- jährigen - & daran, wie viele Dinge mich seinerzeit fasziniert haben. Technik, Musik, Natur - evtl. etwas Asperger-geprägt (da weit mehr sensorisch als emotional), doch intensiv, hellwach & ohne grundlose/n Angst oder Schmerz. Diese geistige Faszination ist bis heute vorhanden, nur kann ich nicht mehr ansatzweise adäquat darauf reagieren. Im Dauerzustand: nicht primär lebensverneinend, trotzdem völlig lebensunfähig (geworden). 
Die Antwort darauf lautet m.E.: egal, was ich in den letzten 35 Jahren rational analysiert & erkannt habe, ist mir das Wesentliche verborgen geblieben - alles emotionale Verständnis = echtes Selbst-Erkennen ist schlichtweg "stehengeblieben". Es agiert noch immer nach einer Logik, als wäre ich nur kurz krank geworden & erwartet, selbstverständlich baldigst wieder gesund zu sein. Dieses Verständnis hat offenbar die letzte Erfahrung vor der "grossen Hölle" abgespeichert: Angst > Schmerz > Beruhigung / Befriedung - & hat die Chronifizierung "verpasst", weil chemisch blockiert.
Ich denke, dies ist ein wesentlicher Teil meiner inneren Mauer, Ambivalenz & Verwirrung - jenes emotionale Verstehen steht in keinem ggs. Austausch (mehr) mit dem geistigen. & ist so das Verbrechen der Medikation an der Psyche. Das empfindende Wahrnehmen / Verständnis ist schlicht nicht in der Lage zu erkennen, dass ich nicht mehr gesund werde (oder kann umgekehrt nicht gesunden, da die Chronifizierung nicht erkannt wird).
Hier wird mglw. zur Falle, was uns eigentlich als Menschen einzigartig macht: Das jeweils autarke Funktionieren des Kopf - & "Bauch"hirns. Das Denken hat offenbar nur sehr begrenzten Einfluss auf das Fühlen, das Begreifen vernichtender Aspekte der Geschichte lindert nicht das tägliche Gefühl inneren Verbrennens.

Dass ich dies überhaupt schreiben kann, ist extrem seltenen Augenblicken zu verdanken, in denen ich einen gefühlten Blick zurück bekomme - bspw. in das Grauen, welches allein die jahrelangen Psychiatriebesuche hinterlassen hat; das kalte, leere Klinikgelände, hohe Mauern, Schreie, Blicke, extreme Gerüche & das unbenannte Gefühl, das dort Unmenschliches geschieht. Plus der strafende Charakter; der Umstand, nicht länger als Mensch angesehen zu werden, dem man ein Minimum an Rechten & Würde zugesteht.
Doch sind dies winzige Minuten in einer endlosen Zeit - sollten solche - durchaus wichtigen - Erkenntnisse wirklich heilsam sein, müsste ich wohl 500 Jahre veranschlagen.

Mir ist klar, dass es sich liest, als würde ich über zwei Personen schreiben - & irgendwie ist es auch so. Dies als Folge einer "Privat-Psychiatrisierung" mit fast allen der möglichen Zwangskomponenten ist m.E. ein ungeheuerliches Verbrechen gegen alle Menschlichkeit.
Worauf sollte ich noch hoffen? Gegen die körperliche Qual bleibt alles wirkungslos - ich bin mttlw. überzeugt, dass sich partiell alles gegenseitig bedingt, nur fehlt auch hier jede klare, gefühlte Verbindung. Es bleibt mir letztlich nur die Hoffnung, dass sich rationales & emotionales Begreifen irgendwann so decken, dass auch letzteres die Tatsachen akzeptieren & ich weitgehend angstfrei loslassen kann.

D. schrieb vor einigen Tagen, Hoffnung sei die grösste Geissel der Menschheit. Ganz so entschieden hätte ich es wohl nie ausgedrückt, doch aus bestimmten Betrachtungswinkeln stimmt es sicher - wenn das undefinierbare "etwas in uns" Un(be)greibares nicht wahrhaben will, trotzdem wider aller Logik oder Erfahrungen instinktiv weiter hofft. Weil wir wohl geboren wurden, um leben zu wollen, weil uns elementares Wissen fehlt, welche Kraft das Leben-Können bis hautnah an unseren Kern zu zerstören vermag. Bis nur noch in Blindheit genährte Fünkchen übrig sind.





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